DOKU.ARTS
Zeughauskino Berlin
06.–23.10.2016

Notes on Blindness

Als Teenager erkrankt der 1935 geborene Theologe John Hull an Katarakt. Sein Erblinden erlebt er als eine graduelle Verminderung des visuellen Vorstellungsvermögens und Erinnerns bis hin zu ihrem kompletten Verlust 1983. „Deep blindness“ nennt er diesen Zustand, in dem schließlich sogar die Vorstellung des Sehens verschwindet. Besonders die folgende soziale Isolation bringt Hull dazu, sich aktiv mit der dramatischen Veränderung seiner Welt zu befassen. So beginnt er, mithilfe eines Kassettenrekorders ein Audiotagebuch zu führen, aus dem 1990 das Buch Touching the Rock: An Experience of Blindness entsteht.

Mit Notes on Blindness meistern die Filmemacher Peter Middleton und James Spinney auf beeindruckende Weise die paradoxe Aufgabe, Hulls Blindheit ins Sichtbare zu übersetzen. In ihrem Film werden Szenen aus Hulls Leben zu den Originaltonaufnahmen von Schauspielern unter Einsatz von Lip Sync nachgespielt. So bleibt Hulls Stimme präsent, seine Teilnahme an der sichtbaren Welt jedoch ist gebrochen. Der Kassettenrekorder wird ihm zum neuen Gesicht, die Tonspulen ersetzen die Augen, während das Sichtbare für Hull nun der Welt der Träume angehört.

Der Film übernimmt von Hull die Metapher des Wassers für das Erblinden. In Form von Regen spielt Wasser jedoch noch eine andere, sehr greifbare Rolle. Hull nutzt den Klang der Tropfen, um sich den Raum um ihn herum neu zu erschaffen und als Wirklichkeit neu anzueignen. „Blindness is a world“, sagt er: Der Film eröffnet uns einen Blick in diese Welt und zeigt uns, dass auch das Sehen nur eine Welt ist, für deren besseres Verständnis wir das Komplementär der Blindheit brauchen.

(ab)

Peter Middleton and James Spinney

Mit Hochschulabschlüssen in Bildender Kunst und Englischer Literatur arbeiten Peter und James nun bereits seit sechs Jahren zusammen und haben in dieser Zeit eine Reihe von fiktionalen, dokumentarischen und plattformübergreifenden Projekten verwirklicht. So haben sie beispielsweise Johns Tagebuchmaterial zu einer Reihe preisgekrönter Kurzfilme verarbeitet, von denen der erste, Rainfall, bei den Hot Docs 2013 mit dem Best Short Documentary Award ausgezeichnet wurde. An diesen Erfolg schlossen sie 2014 mit dem Emmy-prämierten Kurzfilm Notes on Blindness an, der beim Sundance Film Festival gezeigt wurde und beim Encounters Short Film and Animation Festival den Preis für den besten Dokumentarfilm gewann.